Vorwort

Auf einem fast schwarzen Hintergrund liegen drei Fotos horizontal und mit gleichem Abstand zueinander. Die Fotos haben abgerundete Ecken. Auf dem linken Foto sieht man einen alte Lokomotive, die von links nach rechts richtung Bildrand fährt. Auf dem mittleren Foto sehen wir einen amerikanischen Hobo, der an einem Holzzaun angelehnt, mit stark gebrauchten Klamotten und einem großen Schlapphut den Betrachter anschaut. Das rechte Foto zeigt einen Wand mit einem alten Rechensystemen. Überall an den Rechnerschränken sind Knöpfe und Kabel zu sehen. Im rechten Abschnitt des Fotos sitz ein adrett gekleideter Mann, der einen Schalter umlegt. Über den drei Fotos steht in Schreibschrift “Digital Hobo” geschrieben. Die Überschrift ist aufgeteilt und leicht versetzt - “Digital” steht am linken Rand des Bildes, “Hobo” steht am rechten Rand.

Seit ich mich bewusst vor Computer setze und in die riesige, vernetzte Welt eintauche, treibt mich das Gefühl dazugehören zu wollen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, nach neue Communities zu suchen, sie zu finden und mich dann nicht in ihnen zu engagieren. Es ist als würde ich vor den Fenstern eines Cafes stehen und das Treiben von außen betrachten. Oft gehe ich kurz rein, aber einen großen Teil der Zeit verbringe ich draußen vor der Tür. So lange bis ich gelangweilt bin, der Wind zu kalt wird oder ich mir einreden kann, dass ich eigentlich nach einer anderen Community suche. Dann breche ich wieder auf und suche nach neuen Orten die besser zu mir passen.

So geht es seit meiner Jugend. Damals waren es Foren oder koreanischen MMORPGS. Dann kamen Blogging Plattformen, klassischen Soziale Netzwerke, Link Aggregatoren und Social Bookmarking Tools. Mittlerweile sind es kleinere, familiäre Orte die entfernt mit dem Themenkomplex Dezentralisierung zu tun haben. Es wird nicht lange dauern, bis ich auch diese Internet Dörfer hinter mir lasse.

Digitaler Flaneur, Netzhobo, Daten Wanderer - alles Bezeichnungen die dieses Verhalten beschreiben aber zu corny sind, um sie als Selbstzuschreibung zu wählen. Im Kern decken sich die Bilder jedoch mit Realität, jemand der über Suchbegriffe und Metadaten durch große Netzwerke streift, bis er einen Ort gefunden hat, an dem er kurz verweilen kann, nur um dann wieder aufzubrechen.

Das Drakeposting Meme Template angewandt auf meine Situation: Drake hält seine Hand an die Linke seine Seite seines Gesichtes, als würde etwas wegschieben und guckt angeekelt zur Seite. Daneben steht “Sich in einer Community engagieren und Teil von ihr werden”. Auf dem nächsten Bild schaut Drake zufrieden in die Kamera und zeigt mit seinem Zinger auf den Text “Bisschen lurken und zur nächsten Community weiterziehen”

Letztens war ich wieder in der Situation des Umherschweifens. Meistens habe ich in solchen Momenten eine Liste an möglichen digitalen Orten bei mir, die zur damaligen Zeit noch “under Construction” und nicht öffentlich zugänglich waren. Playbit, Capsule Social, Path B oder The Bento Society standen auf meinem Zettel. Keiner dieser Orte war mittlerweile veröffentlicht oder konnte mein “Sense of Belonging” befriedigen. Ich steckte den Zettel wieder ein, öffnete are.na und suchte stattdessen nach neuen digitalen Reisezielen. Erfolglos. Stunden vergingen und meine Frustration stieg. Ich begann mich zu fragen, was eigentlich hinter dieser ewigen Suche stehen könnte. Welches Bedürfnis treibt mich an?

Im Prinzip möchte ich Teil von etwas größerem sein. So weit so unüberraschend. Zeitgleich setzt mich die Zahl potenzieller Reaktionen, angestrebte Postingfrequenz, der Wunsch nach Beachtung und die Gespräche um mich herum unter Druck. Und dann schaue ich wieder von außen durch das Fenster.

Warum nicht diesen Platz am Fenster positiv besetzen und einen Raum schaffen, der sich dem Selbstvermarktungsdruck gegenwärtiger Sozialer Netzwerke widersetzt. An der Seite stehen, Menschen beobachten, Skizzen und Notizen machen und nach etwas Zeit weiterziehen. Anstatt einen Ort zu suchen der dieses Bedürfnis in seiner ganzen Tiefe abdeckt, baue ich mir meinen eigenen und schaffe damit Stabilität in Zeiten des Umherschweifens. Dieser Ort ist hier

In Erinnerung an all digitalen Orte die mir Zuflucht geboten haben:

Nerdcore, Amy&Pink, reddit, myspace, tildes.net, 161.social, are.na, merveilles.town, social.coop, chaos.social, aether, Scuttlebutt, uarrr.org, ctzn, giga, klamm, beaker.social, tilde.town, ultima online, Mister Wong, digg, tumblr, blogspot, kinopio.club, micro.blog, hypemachine